Dieter Nuhr
Facebook, 3. Juli 2023

 

Immer wieder höre ich: „Cancel Culture gibt es nicht.“ Das ist natürlich Quatsch. Dass sie bei mir nicht erfolgreich ist, bedeutet ja nicht, dass es sie nicht gibt. Die früher häufig gehörte Forderung, meine Sendung einzustellen, ist heute perfideren Mechanismen gewichen. Heute wird versucht, mich durch stete Diffamierung als „rechter Comedian“ aus dem Kreis ernstzunehmender Stimmen auszuschließen.
Der Tagesspiegel schreibt begeistert über den Auftritt von Trevor Noah, einem Comedysuperstar in den USA. Wie lautet die Überschrift? „Der Anti-Nuhr“ – so, als sei ich das Gegenteil von Trevor Noah. Wieso mir unterstellt wird, ich sei sein Antipode, wird im Artikel mit keinem Wort erwähnt. Der Leser muss es sich, da ihm keine Fakten genannt werden, selber ausmalen. Wie könnte es denn aussehen, das Gegenbild zu einem schwarzen, lässigen, lustigen, antirassistischen Komiker? Welche Bilder sollen im Kopf des Lesers erscheinen? Es wird wohl ein weißer humorloser Rassist sein, oder?
Im Spiegel wird das Ausscheiden von Christine Prayon in der heute-Show relativiert. Das sei ja nun keine – wörtlich – „Nuhrwerdung“. Was soll der Leser hier zwischen den Zeilen lesen? Auch hier wird manipulativ Platz gelassen für die Fantasie… Frau Prayon ist offenbar noch nicht ganz abgedriftet…
Teile unserer Medien erzeugen so durch stete Adressierung ein Bild von mir, das mich aus der demokratisch-freiheitlich-liberalen Mitte der Gesellschaft nach rechts rücken soll. Ich werde offensichtlich abgestraft für dauerhafte Regierungskritik, weil es mir an Begeisterung fürs vermeintlich Progressive mangelt. Meine Kritik richtet sich eben zwar auch, aber nicht nur gegen Rechte. Da nun einmal die breite Mehrheit meiner Branche auf dem linken Auge blind ist, nehme ich mir heraus, auch und vor allem die Widersprüche von Linken und Grünen satirisch aufzuarbeiten. Das wird ganz offenbar beim Spiegel ebenso wenig gern gesehen, wie beim Tagesspiegel,Süddeutscher Zeitung (wo ich ebenfalls schon als „rechter Comedian“ geführt wurde) und anderen…
Ich könnte zahllose weitere Etikettierungen aufführen wie die der Sendung „Kontraste“, die mir gleich manipulativ und völlig faktenfrei „antisemitisches Verschwörungsraunen“ unterstellte. Auch wenn es das Gegenteil von dem ist, was ich tue, es wird schon etwas hängenbleiben… So funktioniert Cancel Culture heute: Wenn der Feind nicht entfernt werden kann, muss man ihn langsam aber sicher durch dauerhafte Bearbeitung nach rechts aus dem Diskursraum hinausschieben…
Wenn ich rechts sein soll, dann muss sich der Begriff in sein Gegenteil verkehrt haben. Und tatsächlich: War es vor 20 Jahren noch links, die Freiheit der Sicherheit vorzuziehen und gegen die Staatsmacht zu sein, hat sich das Ganze spätestens in der Coronazeit gedreht. Plötzlich galt es als links, nach Law und Order zu rufen, Debatten zu unterbinden und stattdessen Experten zu folgen, die nicht infrage gestellt werden durften, individuelle Freiheit der Sicherheit zu opfern, Berufsverbote für Abweichler an Universitäten zu fordern und den Staat als Heilsbringer zu betrachten.
Selbst die Freiheit des Journalismus gilt nicht mehr als unantastbar. Im Gegenteil! Harald Staun hat im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einem Artikel über die Rolle des Journalismus in Zeiten der Klimaerwärmung die Überschrift vorangestellt: „Neutralität, nein danke!“ Das war bemerkenswert ehrlich, aber leider auch verräterisch: Wenn sich der Journalist als Aktivist versteht, wird Neutralität, also Abwägung von Argumenten aller Seiten, zum überflüssigen Ballast. Der Journalist sucht nicht nach der Wahrheit, er besitzt sie. Widerspruch gilt als anmaßend. Viele Journalisten – sogar in ehemals konservativen Medien – sehen ihre Aufgabe nicht mehr in Information und Einordnung, sondern in Aktivismus. Und das ist keine Erfindung von rechten Spinnern aus dem Lager der Lügenpresseschreier, sondern ist das offen ausgesprochene Selbstverständnis vieler Medienschaffender.
Wer sich da wundert, gilt in diesen Kreisen schon als potentieller AfD-Wähler. Meiner Erfahrung nach lehnt aber der Großteil unserer Bevölkerung SOWOHL die AfD ALS AUCH manipulativen Journalismus ab, selbst wenn er dem hehren Zweck der links-grünen Gesellschaftsbesserung dient. Diesem Teil der Wählerschaft, den ich jetzt einfach mal als Mitte der Gesellschaft bezeichne, fühle ich mich zugehörig.
Und ich bedaure sehr, dass es unsere freie Presse den echten Rechten so einfach macht. Harald Staun bezeichnete Kritiker des pädagogischen Klimakatastrophenjournalismus in der FAS als „notorische Freiheitsjournalisten“ und warf Ihnen „naives Nachplappern“ und „ideologische Haltungslosigkeit“ vor. Da ist der Weg zur ideologischen Einheitszeitung nicht mehr weit…
Offensichtlich glaubt Herr Staun, die Leserschaft der FAS bedürfe geistiger Führung – durch ihn. Es scheint ihm nicht klar zu sein, dass einmal offenbarter Wille zur Meinungslenkung wohl kaum zum gewünschten Ergebnis führt, sondern eher zu Renitenz. Das hätte ihn die Geschichte der DDR lehren können – und erklärt auch, warum es gerade im Osten unseres Landes einen starken Widerwillen gegen Manipulation von oben gibt. Wer nach den Ursachen der Erfolge der AfD bei Wahlumfragen forscht, sollte hier anfangen zu suchen.
Wenn der strikte Wille zur ideologischen Formung der Leser bereits in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung angekommen ist, dann stellt sich die Frage, wo wir uns in Zukunft noch informieren können. Auf der anderen Seite warten bereits freudig die Bauernfänger von der völkischen Partei, um die Frustrierten abzuholen, die nicht rational, sondern wütend auf ihre pädagogische Gängelung reagieren. Insofern ist die Schlagseite vieler Medien gefährlich. Sie ist ursächlich verantwortlich für den Aufschwung der echten Rechten, also Rechtsextremen.
In der Mitte der Gesellschaft wird es gerade eng… Immer mehr Menschen bedienen sich inzwischen ausländischer Zeitungen, um sich zu informieren. Meine Erfahrung aus zahllosen Gesprächen, übrigens auch in klassisch grünen und sozialdemokratischen Kreisen, ist: Die Mitte fühlt sich nicht mehr repräsentiert. Nur extrem wenige zweifeln daran, dass unsere Medien mit wenigen Ausnahmen eine politische Schlagseite haben.
Abwägende Töne, liberale oder gar konservative Positionen sind selten geworden und werden allzu oft gleich als faschistisch oder demokratiefeindlich gebrandmarkt.
Dabei wird rechts von rechtsextrem oft gar nicht mehr unterschieden, wie gerade das öffentlich-rechtliche Internetangebot bewiesen hat, wo Friedrich Merz auf eine Stufe gestellt wurde mit Björn Höcke, einem gerichtlich anerkannten Faschisten. So geraten die politischen Begriffe völlig durcheinander. Nicht selten sehen sich selbst Liberale absurderweise als Nazis denunziert. Auch ich wurde bereits als Nazi, Querdenker, Klimaleugner diffamiert. Wie irre kann es noch werden?
Der inflationäre Gebrauch einer Vokabel wie „rechts“ als gleichbedeutend mit „rechtsextrem“ oder „rassistisch“, nutzt nur einer Gruppe: den wirklichen Rechtsradikalen, die sich nun freuen können, keine Randgruppe mehr zu sein, ist doch im Grunde jeder rechts, der nicht kritiklos links-grün mitmarschiert in die deindustrialisierte Gesellschaft.

 
 

Replik auf die Klage von Dieter Nuhr

13.08.2023

Lieber Dieter Nuhr,

die Presseerzeugnisse in D die „Spiegel“ im Namen tragen, sind mittlerweile linksvergiftet, weil sie versuchen, sogar die taz links zu überholen. Und über die taz muss man wirklich nicht streiten. Lächeln reicht.

Unverständlich finde ich allerdings die Interpretation ihrer eigenen Analyse. Nicht jeder in diesem Land hat Ihre rhetorischen Fähigkeiten mit Sprache umzugehen. Sie brauchen einen Text von 14 Absätzen, um Ihre Kritik an einer gleichgeschalteten Presse und der Auflösung des Freiheitsgedankens auszudrücken. Die ör Medien sind da übrigens ebenso an der Gleichschaltung beteiligt. Als Marker schmeiße ich nur mal die Namen Reschke und Restle in den Raum. Bei denen m.E. die Kurzsichtigkeit bereits sehr weit fortgeschritten ist und strategisches Denken über das Spektrum der Auswirkungen ihres Tuns nicht stattfindet. Und ich könnte mir vorstellen, dass die ARD als Ihr Auftraggeber ins Wanken gerät, wenn solche Protagonisten sich dort weiter durchsetzen. I.d.R. sind es in solchen Institutionen wenige Entscheider, die der Meinung sind, dass Menschen wie Sie Herr Nuhr eine Bereicherung in der Medienlandschaft sind. Lese ich da eine berechtigte Angst zwischen den Zeilen Ihres Textes, dass solche Entscheider eines Tages durch Kurzsichtige ersetzt werden könnten und Sie dann die Hand, die Sie füttert, beißen müssen?

Die Bildungsmisere der letzten Jahrzehnte, durch Einstellen oder Erschweren der Förderung durch die CDU/CSU in den 80er Jahren, durch Abbau und herunterfahren der Leistungsanforderungen an öffentlichen Schulen in den Nachfolgejahren werden doch nur noch Halbgebildete mit einem Abschluss entlassen, den sie Abitur nennen, und der an vielen Stellen über die Anforderungen einer höchstens mittleren Reife nicht hinauskommt. Eine Hochschulreife ist das schon lange nicht mehr. Die Klagen der Hochschullehrer über unfähige Erstsemesterstudenten schrillt bereits seit Jahren über die Flure. Und da wundern Sie sich Herr Nuhr, dass einige unzufriedene Mitbürger aus Effizienzgründen oder mangelnden rhetorischen Fähigkeiten ihren 14 Absätze langen Text auf das Wort „Lügenpresse“ verkürzen?

Herr Nuhr, Sie beklagen eine Situation der Ausgrenzung aus der Gesellschaftsgruppe, der Sie sich gern zugeordnet sehen würden. AfD-Mitglieder sehen sich seit 10 Jahren solchen Anfeindungen und „Falschzuordnungen“ ausgesetzt. Sie sind vorwiegend integrierte Mitglieder dieser Gesellschaft und stehen mit beiden Beinen fest auf der FDGO. Sie sind also nicht allein mit Ihrem Problem. Die meisten Mitglieder gehen einer geregelten Arbeit nach (wenn man sie lässt). Als Professorenpartei vor 10 Jahren gestartet, in der das Anzweifeln von Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung niemandem in den Sinn gekommen wäre, hat sich jedoch auch in der AfD einiges geändert. Und in jedem Korb Äpfel gibt es einige mit faulen Stellen, wie man auf dem Nominierungsparteitag der AfD in Magdeburg zwei Wochenenden lang sehen konnte. Aber selbst das lässt sich auch anders bewerten, wenn man sich andere Apfelkörbe anschaut. In einigen Körben mit grünen Äpfeln sind schon seit Jahren fast bei der Hälfte des Inhalts die Druckstellen braun geworden.

Aber Herr Nuhr, das sind nicht alle. Und wenn Sie mit Ihrer offensichtlich konservativen Einstellung etwas differenzierter hinschauen, würden Sie sicherlich eine große Fangemeinde von Ihnen finden, die nicht dem extremen Lager zuzurechnen ist. Und mal ehrlich, bei der CDU/CSU sind Sie nicht mehr gut aufgehoben, denn von dort bekommen Sie doch mittlerweile die Inspirationen für Ihre großen Lacherfolge. Gut, die Grünen toppen das noch. Aber dort haben Sie ja auch das größte Reservoir für Sketsche.

Sie haben immer noch die Möglichkeit die Realität wahrzunehmen. Das ist zumindest meine Erkenntnis. Denn es gibt eine Partei, die bereits viele Wahrheiten aufgedeckt hat, die vorher durch die Regierung, und den Medien als ihre Handlanger, als Verschwörungstheorien gebrandmarkt wurden. Möglicherweise merkt es in den Medien niemand, dass der inflationäre Gebrauch des Begriffes Verschwörungstheorie sich ebenso schnell abnutzt wie weiland der Begriff „Nasi“. Viele Verschwörungstheorien wurden während der Corona P(l)andemie enttarnt und haben sich anschließend als Wahrheit herausgestellt. Weshalb die Tendenz den Begriff einzusetzen abnimmt und sein Einsatz mit immer größerer Vorsicht gehandhabt wird. Denn wer ihn verwendet und sich anschließend mit rhetorisch verschlungenen Erklärungen entschuldigen muss, diskreditiert sich selbst im Höchstmaß. Wer das jetzt erklärt haben muss, sollte sich an Herrn Spahn wenden. Lauterbach, Wieler und Cichutek haben es ja immer noch nicht nötig.

Aber die Wahrheit wird sich immer durchsetzen. Und diejenigen, die, als sie die Macht hatten, andere gezwungen haben, ihren Lügen glauben zu müssen und ein Verhalten erzwungen haben, das eine gesamte Gesellschaft zerstört, müssen zur Rechenschaft gezogen werden können. Deshalb muss der Begriff und die Definition von Hochverrat wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Denn das Bewusstsein von Moral ist in heutiger Zeit offensichtlich nicht mehr Gegenstand von Erziehung. In dieser Zeit, in der ein Ethikrat eher zum Komödiantentum wird, ist die Moral wohl vollständig am Boden. In Zeiten eines höheren Stellenwertes von Moral war Hochverrat noch abschreckend.

Nach einem Systemwechsel, Herr Nuhr, werden Sie weiter gebraucht. Vielleicht nicht mehr bei der ARD, weil es die nicht mehr geben wird. Aber seien Sie versichert, Qualität setzt sich durch. Aber auch Ihr Format wird sich dann zwar ändern müssen. Wo immer Sie dann auch auftreten können.

Also bleiben sie mutig und sehen mit Zuversicht in die Zukunft. Es kann ja eh nur besser werden.

peter jadasch